Eine subjektive Analyse

Inhalt

Zunächst steht die Tatsache fest, dass es dem Arzt obliegt, ein adäquates Gespräch mit dem Patienten oder/und seinen Angehörigen zu führen. Ziel dieses Gespräches muss sein, den Patienten umfassend über das vorliegende Krankheitsbild zu informieren, alle diesbezüglichen Fragen auszuräumen, mögliche Therapiealternativen aufzuzeigen und dabei auch auf die Grenzen einer Behandlung, bzw. die Nachteile und Nebenwirkungen einer solchen hinzuweisen.
Initial besteht ein Ungleichgewicht der Gesprächssituation: der Arzt weiß etwas über die Gesundheit des anderen, der Patient fühlt, was es heißt krank zu sein.
Aufgabe des Arztes ist es, gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen herauszufinden, was der Wille des Patienten ist und wie er das gewünschte Therapieziel mit Hilfe der Medizin erreichen möchte. Dabei ist klar zu differenzieren, ob es sich um eine kurative oder palliative Behandlung handelt - letztendlich, ob eine Genesung oder eher das humane Sterben des Patienten erreichbares Ziel sein können. (Abb. 1 – 3)

Kaspar Abb1

Kaspar Abb2

Kaspar Abb3
Bedingt durch die ständige Einbindung in einen fest determinierten Tagesablauf ist die häufigste Begründung für ein unzureichendes Gespräch der Mangel an Zeit.
Die Aufgabe, einem fremden Menschen häufig negative Nachrichten zu eröffnen, ist unangenehm, sowohl für den
Gesprächsführenden als auch für den Adressaten, und beim unerfahrenen Arzt auch mit Angst behaftet. Da unangenehme Dinge gerne auf ein Mindestmaß reduziert werden, ist es verständlich, dass die Zeit, die dazu aufgewendet wird, möglichst kurz sein soll. Dass man dabei aber das eigentliche Ziel des Gesprächs nicht erreichen kann, wird dabei außer Acht gelassen.
Ein subjektiv unangenehmes Erlebnis ist sicher auch, zugeben zu müssen, dass ärztliches Handeln auch Grenzen hat und nicht immer von Erfolg, sprich der Genesung des Patienten, gekrönt ist.
Der Arzt ist häufig nicht vom Nutzen eines intensiven Gespräches überzeugt: teilweise, weil er der Ansicht ist, der Patient verfügt über kein ausreichendes Wissen, um den Inhalt zu verstehen (wobei doch Ziel des Gespräches sein soll, Wissen in dieser Hinsicht erst zu vermitteln), zum anderen, weil er (der Arzt) sicher weiß, was für den Patienten sinnvoll ist und Einwände des Patienten nur den Heilerfolg und den sowieso schon viel zu engen Zeitrahmen weiter mindern würden.
Das Benutzen von Fachterminologie macht häufig ein Verstehen seiner Informationen unmöglich, desgleichen bildet das Nichteinlassenkönnen oder –wollen auf Patientenniveau eine unüberwindliche Gesprächsbarriere, sodass der Patient tatsächlich den Arzt nicht verstehen kann. Da der Arzt in der Regel allein mit dem Patienten und seinen Angehörigen redet, gibt es keine vermittelnde Person zwischen ihm und dem ihm Anvertrauten, ungeklärte Fragen tauchen erfahrungsgemäß erst einige Zeit nach dem Gespräch auf oder werden häufig nicht gestellt, weil man die kostbare ärztliche Zeit nicht länger in Anspruch nehmen möchte - oder einfach Angst hat nachzuhaken.

Die tabellarische Übersicht aus Abb. 4 zeigt, dass sich Arzt und Patient aus grundlegender Sicht, die die Gesprächsprobleme beleuchtet, ziemlich nah sind, jedoch liegen die individuellen Probleme auf unterschiedlichen Ebenen. Es sollte Aufgabe des Arztes sein, sich der Ebene des Patienten zu nähern, damit die Möglichkeit des Verstehens gegeben ist.

Kaspar Abb4

Argumente für ein ausreichendes Patientengespräch

Die ärztliche Tätigkeit stellt für den Patienten häufig einen massiven Eingriff in wichtige Bereiche seines Lebens dar, was impliziert, dass das Verhältnis zwischen Arzt, Patient und dessen Angehörigen geprägt sein sollte von Vertrauen, Offenheit und Ehrlichkeit.
Um alle Unsicherheiten zwischen Behandelndem und Behandelten auszuräumen, sind gerade der ehrliche und offene Umgang miteinander unverzichtbar.
Der alltägliche Umgang unter guten Kollegen zeigt, dass nur selten wirklich über intime Angelegenheiten des Lebens geredet wird. Es ist geradezu illusorisch, von einem fremden Menschen Offenheit in essentiellen Fragen seines Daseins zu verlangen, nur weil man von Beruf Arzt ist.
Fazit: ohne ausreichende zwischenmenschliche Vertrauensbasis, die erarbeitet werden muss, kann keine adäquate Arzt-Patient-Beziehung entstehen. Der Patient sollte dem Arzt vertrauen und dessen umfassenden und ehrlichen Rat annehmen.
Der Arzt sollte darauf vertrauen, dass der Patient als Fachmann seiner Individualität weiß, welche Ziele er erreichen möchte.
Ziel sollte sein, dass sich der Patient beim behandelnden Arzt gut aufgehoben fühlt, sich ihm anvertraut, weil er ihm vertraut und dadurch erst bereit ist, sich aktiv auf eine Therapie einzulassen und diese nicht nur über sich ergehen zu lassen.

Ergebnis des Patientengespräches sollte sein, dass sowohl Patient und Angehörige zur Zufriedenheit gelangen, was auch zur Zufriedenheit von Arzt und Pflegepersonal führt.
Würde von Beginn der Behandlung an ein Vertrauensverhältnis entstehen, so könnte der Patient auch den Arzt als Menschen und nicht nur als omnipotentes Wesen begreifen, der auch einmal einen Fehler eingestehen darf, ohne gleich mit juristischen Folgen rechnen zu müssen.
Letztendlich würden viele Gerichtsprozesse gar nicht erst entstehen und generell der Ruf eines Krankenhauses im Ansehen der Patienten steigen.

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