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Pflege aus Leidenschaft - zwai.investigativ

 


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  „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, sagte Helmut Schmidt einmal. Doch was ist, wenn der Arzt selbst im Mittelpunkt der Vision steht?

Eine unserer Perlen aus dem Archiv befasst sich mit Dr. med. Joachim Kleinmantel, einem Mediziner, der viel lieber in der Pflege als in einer Praxis arbeitet: Doch unsere Geschichte war weniger visionär, sonder vielmehr zu abstrus und absurd, so erschien es uns und so erschien unser einfühlsames Portrait "Best of Both Worlds" im Original nicht ohne Grund am 1. April.

Das war 2006 und uns kaum noch erinnerlich, als wir zuletzt von der chefärztlichen Solidarität am Auguste-Viktoria-Klinikum und den assistenzärztlichen Pflegehelfern an der Charité lesen mussten.

Screenshot Twitter

Ja, die Charité, Speerspitze deutscher Spitzenmedizin (bekannt aus Funk und Fernsehen) in Berlin (Berlin!) hat das gleiche Problem wie so ziemlich jedes Wald- und Wiesenkrankenhaus: Pflegekräftemangel!

Obwohl die Intensivstationen der Charité mitten in der angesagtesten Stadt der Republik (nach Leipzig), nämlich in Berlin beheimatet sind (so wie der Rest der Charité übrigens auch), gibt es dort zu wenige Intensivpflegende.

Doch es gibt dort ein visionäres Management (FH), oder zumindest eins mit einem ordentlichen Archiv, inklusive unseres Artikels "Best of Both Worlds" über Dr. Kleinmantel. Denn während Intensivpflegende Mangelexemplare sind, scheint es in Berlin Ärzt*Innnen wie Sand im Getriebe zu geben.

Und so schickte der Vorstand der Klinik eine Mail an das assistenzärztliche Personal mit der dringenden Bitte: Sie sollen auf den Intensivstationen pflegerische Aufgaben übernehmen. Maximal drei Monate; und da so ein Fachpflegeexamen ja auch nicht vom Himmel fällt, sind sogar zwei Wochen Einarbeitung vorgesehen.

Derart durch die Realität geadelt, haben wir "Best of Both Worlds" aktuell zu unserem ersten zwai.feature aufgearbeitet.

Eine zwai.media-Produktion 2021 mit den Stimmen von Sarah Giese, Matthias Hecht, Alexander Rolfes und Christoph Tiemann.

P.S.: Während wir noch ganz gerührt auf eine Prämie aus Berlin warten, hat unser ehemalige Kollege und derzeitige Spahn-Pfleger Andreas Westerfellhaus schon eine dezidierte Meinung zu dem Vorgang.




 


 


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Transkript

Ärztliche Heilkunst und Pflege – so nah aneinander und doch so weit voneinander entfernt. Ärzt*innen arbeiten 60 und mehr Stunden die Woche, die Pflege geht nach der Schicht nach Hause.

Ärzt*innen forschen, heilen und lehren, die Pflege hilft kranken Menschen. Wer der Linderung und Heilung von Krankheiten beruflich nachgehen möchte, muss sich irgendwann für einen der beiden Berufszweige entscheiden.

Nicht so der Internist Dr. med. Joachim Kleinmantel: seit er vor zwei Jahren eine Schneise im krankenhäuslichen Berufsdschungel entdeckt hat, geht er seinen ganz persönlichen Mittelweg und jobbt neben seiner Tätigkeit als Assistenzarzt an Wochenenden und Feiertagen auf den Pflegestationen seiner chirurgischen Kollegen.

Best Of Both Worldszwai traf den engagierten Berufs-Spagatler in seiner hessischen Heimat.

Eigentlich gutbürgerlich

Der 36jährige stammt aus einem gutbürgerlichen Medizinerhaushalt – klar, dass damit auch für ihn zunächst nur das Medizinstudium in Frage kommen konnte.

Dr. Kleinmantel: „Durch die Praxis meiner Eltern bin ich schon früh mit der ganzen Helferei in Kontakt gekommen, habe oft ganze Schulferien in der Praxis verbracht und durfte meinen Vater bei Hausbesuchen begleiten. Großartig! Für mich kam schon als Achtjähriger nur ein Medizinstudium in Frage.“

Bei sonst unauffälliger Kindheit und Schulzeit stand der akademischen Karriere nichts mehr im Wege – wäre da nicht das obligatorische Pflegepraktikum des jungen Medizinstudenten gewesen. Der erste Blick über den Universitätsrand ließ Kleinmantel beinah an seinen Zielen zweifeln, so faszinierten ihn die „kleinen Wunder, die die Pflegenden täglich vollbringen.“:

„Das war echt der Hammer. Jahrelang konnte ich mir nur vorstellen, Arzt zu werden. Weißer Kittel, Stethoskop und Codierungen – das sollte meine Welt werden … und auf einmal war alles weg.“

Der tägliche Körperkontakt mit Patienten, die vielen Raucherpausen und der pünktliche Feierabend machten Kleinmantel nachdenklich: „Plötzlich wusste ich: das ist der Beruf der Berufe, den ich lernen und für den Rest meines Lebens ausüben will.“

mit einem Fuß in der Pflegetür - Biete: Sobotta - Suche: Juchli

Während erste Gespräche mit der örtlichen Krankenpflegeschule stattfanden – Kleinmantel hatte bereits auf dem Flohmarkt seinen Sobotta gegen die Juchli tauschen können - ist es nur dem energischen Wink seines Vaters zu verdanken, dass er das Medizinstudium dennoch wie geplant absolvierte.

„Puh, das ist mir heute fast noch peinlich. Bei meinen ganzen Pflege-Einsätzen hatte ich komplett vergessen, dass mein Vater ja noch diese Arztpraxis hatte, die ich übernehmen soll – und dazu musste ich halt erstmal studieren.“

Zunächst ein saurer Apfel für den hessischen Hoffnungsträger, dennoch meisterte er problemlos alle Hürden des Studiums, ohne jedoch sein eigentliches Ziel aus den Augen zu verlieren.

Als Sonntagshilfe bekam Kleinmantel während des Studiums in seinem eigentlich akademischen Lehrkrankenhaus schnell einen Fuß in die Pflegetür, begleitete in den Semesterferien die Gemeindeschwester des ambulanten Pflegedienstes und ging der Nachbarin mit leichten Aufräumarbeiten zur Hand.

„Die Dankbarkeit der Patienten, die mir in dieser Zeit entgegengeschlagen ist, werde ich nie mehr vergessen. So was habe während des ganzen Studiums nicht erlebt, da war ich immer nur der Depp.“

Erstmal Innere - dann die Wende

Pflege aus Leidenschaft Innere

Seine ersten Schritte als Assistenzarzt machte Kleinmantel auf väterliche Empfehlung in der Inneren Medizin. „Da kannte ich noch von früher eine Menge: Husten und Fieber sterben eh nie aus und den Rest hab ich in meinem kleinen Buch stehen.“

Aber schon bald machte sich Ernüchterung breit: „Die ersten Wochen waren noch ganz in Ordnung, aber ein Leben lang auf Arzt machen? Dieses ganze Akademiker-Gehabe, das „Immer-heilen-müssen“, immer im Mittelpunkt, von Patienten gefordert, von den Pflegern und Schwestern bemitleidet … ich wusste nicht, wie ich dem Druck standhalten sollte … diesem unmenschlichen Druck. Am liebsten hätte ich hingeschmissen, konnte ja aber meinen Vater nicht enttäuschen – die Praxis, Sie wissen schon.“

Zwischen Kot und Kodieren

Als Stellenkürzungen und Personalmangel im Herbst des Jahres 2004 sein Krankenhaus erreicht hatten, kam ihm die Idee, die für ihn den seelischen Ausgleich bedeuten sollte. Ohnehin hatte Kleinmantel sich immer mehr mit den Pflegenden auf seiner Station sozialisiert, nahm regelmäßig an den Kaffeepausen teil und freute sich am 15. jedes Monats mit ihnen, wenn seine, so Kleinmantel, „pflegenden Freunde“ ihre Gehaltsabrechnungen mit den extra ausgewiesenen Überstundenzuschlägen erhielten.

Das wollte er auch haben. Im Arzt-Beruf gefangen, bot ihm aber der Aushang am schwarzen Brett der Pflegedienstleitung die Chance, sein Leben wenigstens an Wochenenden erträglich zu gestalten.

„Die Oberschwester war sofort von meiner Idee begeistert, die Dienstplanlücken füllen zu wollen. Mit meinen Referenzen aus dem Pflegepraktikum und von unserer damaligen Nachbarin war der Rest nur noch reine Formsache.“, berichtet Kleinmantel stolz vom Wendepunkt seines Lebens.

„Endlich hatte ich eine Lösung gefunden: unter der Woche muss ich zwar noch codieren und ab und zu aus Forschungsgründen ein paar Mäuse umbringen, aber ich freue mich jetzt jedes Mal auf 'mein Wochenende’ auf Station, wenn ich in der Pflege helfen darf.“

Dabei haben es ihm nicht nur die Arbeitszeiten angetan: „Herrlich, nach der Übergabe erstmal Kaffee trinken, zwei rauchen und die Pflegeplanung abhaken. Danach geht’s so richtig an’s Helfen. Sie können sich nicht vorstellen, was es für mich bedeutet, einem Frischoperierten auf die Bettkante zu helfen.“

Als Internist hat sich Kleinmantel ganz bewusst für einen Nebenjob auf einer operativen Station entschieden. „Hier gibt es nicht diesen Standesdünkel wie in der Inneren, wo ich jeden Tag mit Zettel und Bleistift meinem Oberarzt hinterherlaufen muss. Unsere Medikamente und Laborparameter kenne ich eh schon fast auswendig, da ist es für mich besonders interessant zu sehen, wie die Chirurgen auch ohne so was Menschen helfen können.“

Im Pflegeteam der Station wurde Joachim Kleinmantel schnell aufgenommen. Auch wenn er sich manchmal nicht nehmen lässt, ein 12-Kanal-EKG abzuleiten und heimlich zu interpretieren, kann man ihm seinen ursprünglichen Beruf kaum anmerken.

Best of Both Worlds
Pflege-Kollegin Jessica: "... wenn ich's nicht wüsste, hätte ich es nicht gemerkt"

„Klar wissen wir von der Oberschwester, dass der Jojo eigentlich Arzt ist – aber wenn ich’s nicht wüsste, hätte ich es nicht gemerkt“ erzählt Krankenpflegerin Jessica über ihren neuen Kollegen. „Soviel Mühe, wie der sich im Umgang mit den Patienten gibt und wie er sich für Verbandstechniken interessiert … echt klasse! Nur bei der Umsetzung unserer Hygienestandards mussten wir ihm in der ersten Zeit etwas unter die Arme greifen. Und mittlerweile schafft es der Jojo auch, nach der Schicht einfach nach Hause zu gehen – also pünktlich.“

„Das Beste ist ja, dass ich dafür auch noch bezahlt werde“, schwärmt der Pflegenovize. „Wenn ich Spätdienst mache, bekomme ich sogar eine Stunde Nachtdienstzuschlag, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen!“

Kolleg*innen, die von seinem Doppelleben wissen, betrachten ihn mit einem gewissen Argwohn, doch ebenso wurde Kleinmantel schon mehrfach von Kollegen vertraulich angesprochen. Gerne gibt er Tipps, wie vermeintliche bürokratische Hürden zu nehmen sind.

Optimistisch in die Nische

Best of Both Worlds
: Landarzt Kleinmantel sen. und Gattin 

Freilich sind seine Eltern immer noch nicht so recht glücklich. Landarzt Kleinmantel sen. und Gattin hatten sich ihren Lebensabend sorgenfreier vorgestellt; ihre Minen sind von Selbstvorwürfen deutlich gezeichnet. „Meine Mutter weint oft und mein Vater sieht natürlich die Zukunft seiner Praxis gefährdet.“

[Dr. Kleinmantel senior am Telefon] "Die Zukunft meiner Praxis? Wie soll ich die schon sehen: ge-fähr-det! Meine Praxis ... über 30 Jahre hab ich da ... nur einmal war ich krank ... und der Dödel gibt die Mutter Teresa der Wetterau ..."

Doch Dr. Kleinmantel Senior versucht auch das Positive zu sehen. Die Zeiten werden auch für Niedergelassene nicht besser und möglicherweise erarbeitet sich der Filius gerade eine wichtige Nische: „Vielleicht kann ich Vaters Praxis in einen ambulanten Pflegedienst umwandeln, denn die hausärztliche Tätigkeit ist heutzutage eh ein Zuschussgeschäft“, blickt Pfleger Dr. med. Kleinmantel optimistisch in die Zukunft.

„Seinen“ Facharzt will er jetzt ohnehin nicht mehr machen...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um Satire. Die Handlung ist frei erfunden und sämtliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen bestenfalls zufällig.

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