Diagnostik und Therapie

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ALCOS - das 'Shirt mit dem Krokodil' unter den Herzinsuffizienzen kann teuer werden. Die Tagestherapiekosten des 'Acute Low Cardiac Output Syndrome' sollen allerdings nicht Thema des gleichnamigen Übersichtsartikels im zwai-Journal, Kapitel 'Intensivmedizin' sein.

Gregor Theilmeier und Christoph Schmidt konzentrieren sich in ihrem Beitrag vielmehr auf Ätiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und die aktuelle Therapie der akuten Herzinsuffizienz. (hhe)


1. Definition

1.1 Herzinsuffizienz

Die Herzinsuffizienz stellt eine klinisch wie ätiologisch sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen dar, die zu einer Verminderung der Pumpfunktion des Herzens führen.

Als Ursachen sind die ischämische Kardiomyopathie (35-50%) und die dilatative Kardiomyopathie führend. Die Systematik der Herzinsuffizienz unterteilt in chronische und akute Herzinsuffizienz. Die chronische Herzinsuffizienz stellt ein gigantisches sozio-ökonomisches Problem dar. Weltweit leiden etwa 15 Millionen Menschen an einer Herzinsuffizienz. In den westlichen Ländern kommen jährlich 1-4 Fälle pro 1000 Einwohner hinzu. Die 5-Jahres Mortalität nach einer akuten Dekompensation beträgt etwa 50%. Die Wahrscheinlichkeit einer Rehospitalisierung innerhalb der nächsten sechs Monate nach einer akuten Dekompensation liegt um 50%. 1,2

Die Therapie ist in der Regel symptomatisch, und die Prognose bezüglich der Wiederherstellung ist relativ schlecht. Die einzige kausale Therapieoption stellt für eine sehr große Gruppe von Erkrankten die Herztransplantation dar, die aber nur für einen verschwindend geringen Prozentsatz der Erkrankten realisiert werden kann.

Acute Low Cardiac Output Syndrome - ALCOS in der Intensivmedizin

1.2 Akute Herzinsuffizienz
Der Begriff der akuten Herzinsuffizienz beschreibt einen pathophysiologischen Zustand, in dem das Herz die Versorgung des Organismus mit Blut und damit mit Sauerstoff nicht mehr bedarfsadaptiert leisten kann. 3 Es liegt also ein akutes Missverhältnis zwischen globalem Sauerstoffbedarf und -angebot vor. Dabei kann in einigen Situationen wie der thyreotoxischen Krise oder der hyperdynamen Phase einer Sepsis oder des SIRS das Herzzeitvolumen (HZV) durchaus erhöht sein. Es reicht aber dennoch nicht aus, um einen stark erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken.

Diese Form der Herzinsuffizienz wird als High-Output Herzinsuffizienz bezeichnet und soll in diesem Rahmen nicht weiter behandelt werden. Die übrigen Formen der akuten Herzinsuffizienz sind durch eine kritische Erniedrigung des Sauerstoffangebotes durch ein inadäquat reduziertes HZV bedingt. Der plötzliche Abfall des HZV kann auf kardialen oder extrakardialen Ursachen beruhen. In den meisten Fällen wird jedoch eine akute Exazerbation einer bestehenden, klinisch manifesten Herzinsuffizienz gemeint sein. Dabei kann sich die Herzinsuffizienz durch eine reduzierte Entleerung eines oder beider Ventrikel und einen dadurch bedingten Rückstau von Blut in den davor liegenden Teil des Kreislaufes (Rückwärtsversagen) manifestieren. Es kann aber auch zu einem Abfall des Herzzeitvolumens des oder der Ventrikel durch ein Vorwärtsversagen kommen. Häufig liegt eine Kombination der beiden Phänomene vor. [4]

1.3. Acute Low Cardiac Output Syndrom (ALCOS)
Das ALCOS stellt eine perakut auftretende Form des linksventrikulären Vorwärtsversagens dar, wobei der Begriff von einigen Autoren für Low-Output-Syndrome nach kardiochirurgischen Eingriffen - als Post-Cardiopulmonalem-Bypass (CPB)- oder Post-Cardiotomie-Syndrom - reserviert wird.3 Es sollten aber auch das akute Herzversagen nach akutem Myokardinfarkt und andere plötzlich einsetzende Low-Output-Syndrome, wie beispielsweise im Rahmen von Myokarditiden und Endokarditiden hinzugerechnet werden. [4]

Wichtig ist aber die Unterscheidung des ALCOS, bei zuvor Herzgesunden auftritt, von der akuten Exazerbation einer vorbestehenden symptomatischen Herzinsuffizienz. Solche akuten Exazerbationen stellen in den industrialisierten Ländern eine der häufigsten Krankenhaus-Einweisungs-Diagnosen dar (in den USA in 1998 970.000) und gehören in den meisten Fällen in die Hände von Kardiologen, da sie oft eine Verschlechterung der RV- oder LV-Funktion durch interkurrierende Infektionen oder durch Tachy- oder Bradyarrhythmien als Ursache haben, deren Behebung meistens zu einer kardialen Rekompensation führen wird.[4] Darüberhinaus sind bei diesen Patienten eine Vielzahl von neurohumoralen Gegenregulationsmechanismen aktiv, die die Diagnostik und Therapie vom Management des ALCOS unterscheiden.


 

 



2. Ätiologie des ALCOS
Die Ätiologie akut auftretender Funktionsstörungen der Ventrikel, die die Auswurfleistung so stark beeinträchtigen, dass ein ALCOS resultiert, ist in Tabelle 1 zusammengefasst. [4] An erster Stelle steht dabei der akute Myokardinfarkt mit einem Verlust von >40% der kontraktilen Muskelmasse des linken Ventrikels. Dabei kann das Myokard permanent durch einen Infarkt oder vorübergehend durch eine Ischämie mit anschliessender Reperfusion und myokardialem Stunning funktionsgestört sein. Entsprechend fällt die Pumpfunktion ganz oder nur bis zur Erholung vom Stunning aus. Diese Überlegung spielt für die Abschätzung der Prognose von Patienten im ALCOS eine überragende Rolle.

Ätiologisch ähnlich, aber pathophysiologisch vollkommen unterschiedlich, ist ein akutes Pumpversagen des linken Ventrikels durch mechanische Kompromittierung der Ventrikelfunktion im Gefolge eines Myokardinfarktes. Dabei ist vor allem an eine Papillarmuskelruptur und den resultierenden Prolaps meist des posterioren Mitralsegels mit dem akuten Auftreten einer massiven Mitralinsuffizienz und an eine Ruptur des Ventrikelseptums durch einen septalen Infarkt oder die Ruptur der freien Ventrikelwand mit resultierender Perikardtamponade zu denken. Die genannten mechanischen Komplikationen eines Myokardinfarktes sind selbstverständlich mit dem Untergang unterschiedlich großer Myokardareale durch die Ischämie in Abhängigkeit vom betroffenen Gefäß und dessen Kollateralisation vergesellschaftet. Das Ausmaß des Infarktes wird die Ausprägung des ALCOS entscheidend mit beeinflussen.

Krankheitsentität Atiologie prim. klinische Ausprägung
Myokardinfarkt (MI) KHK, Plaqueruptur

ALCOS bei >40% Muskelmasseverlust

  Papillarmuskelruptur Mitralinsuffizienz + MI
  Ventrikelseptum-Ruptur VSD mit akuter RV-Druckbelastung, akuter LV-Volumenbelastung und arterieller Hypotonie + MI
  Ventrikelruptur Perikardtamponade mit kombinierter RV-Kompression und arterieller Hypotonie + MI
  unvollständig revaskularisiertes Myokard bei operativer Hochrisiko-Revaskularisation Myokardiale Depression durch protrahierte Ischämie unter HLM ohne vollständigen Revaskularisationsbenefit
  inkomplette Kardioprotektion unter HLM Anterograde Kardioplegie bei diffuser fortgeschrittener KHK und protrahierte Ischämie mit insuffizienter Myokardprotektion
DCM erblich, erworben (Chemo, Myokarditis) Akutes LV-Pumpversagen evt. mit sekundärer Mitralinsuffizienz
  virale Myokarditis Akutes LV-Pumpversagen evt. mit sekundärer Mitralinsuffizienz
Endokarditis Aortenklappenendokarditis akute Aortenklappeninsuffizienz mit akuter LV-Dilatation, evt. mit sekundärer MI
  Mitralklappenendokarditis akute Mitralklappeninsuffizienz mit akuter Volumenbelastung und LV-Dilatation, Rückwärtsversagen mit Lungenödem und arterieller Hypotonie
Aortenklappenstenose Dekompensation des hypertrophierten LV Akutes Pumpversagen durch eine Kombination von linksventrikulärer Insuffizienz bei Überschreiten der kritischen Myokardmasse und kritischer Erhöhung der linksventrikulären Nachlast durch die Klappenstenose
Post-Kardiotomie-Syndrom intrakardiale Eingriffe Akuter Kontraktilitätsverlust durch die Folgen eines intrakardialen Eingriffes
RV-Versagen Vorlasterniedrigung des LV akuter inferiorer Infarkt mit RV-Beteiligung, akuter RV-Infarkt oder akute Erhöhung des pulmonalvaskulären Widerstandes (z.B. Lungenembolie)

Tabelle 1 - Ätiologie des ALCOS mit primärem klinischem Bild.

Virale Myokarditiden können auch bei jungen zuvor körperlich leistungsfähigen Patienten akut zu einem ALCOS führen.

Eine akute Klappen-Endokarditis - häufig der Aorten- seltener der Mitralklappe - kann ebenfalls durch die akute linksventrikuläre Dilatation zu einer schweren Störung der linksventrikulären Kontraktilität führen, die auch nach der Korrektur der Klappeninsuffizienz ein Pumpversagen weiter bestehen lassen kann, wobei bei der Mitralklappeninsuffizienz das Rückwärtsversagen des linken Ventrikels klinisch üblicherweise führend ist.

Acute Low Cardiac Output Syndrome - ALCOS in der Intensivmedizin

Eine weitere ätiologisch bedeutsame Variante einer akuten kardialen Dekompensation im Sinne eines ALCOS ist die akute Dekompensation einer vorbestehenden bis dato kompensierten Aortenstenose.

Das Postkardiotomie-Syndrom stellt eine klassische Ursache einer myokardialen Funktionsstörung dar, die sich häufig einer vorbestehenden strukturellen Herzerkrankung aufpropft. Dabei kommt es nach intrakardialen Eingriffen zu einer globalen Kontraktilitätsstörung, die eine kritische Einschränkung der Pumpleistung verursacht.

Eine häufige Form des ALCOS tritt bei Hochrisiko-Revaskularisationen beim unvollständig revaskularisierten Myokard oder der akuten postoperativen Graft-Dysfunktion (thrombotischer Verschluss oder mechanisches Hindernis) ein.

Eine protrahierte intraoperative myokardiale Ischämie bei nicht ausreichendem kardioplegischen Schutz zum Beispiel durch eine hochgradige diffuse KHK und den dadurch misslingenden Versuch der Kardioprotektion durch anterograde kristalloide Kardioplegie ist eine weitere Ursache für eine protrahierte postoperative Kontraktilitätsminderung des Myokards in der Herzchirurgie und entspricht einem ischämischen Stunning. Diese Störung der Pumpfunktion ist häufig vorübergehend und wird, bei nicht zu ausgedehnter Dauer der Ischämie zumindest teilweise reversibel sein.

Eine weitere vollkommen unterschiedliche Entität stellt das LV-Pumpversagen auf dem Boden einer rechtsventrikulären Insuffizienz dar, die primär durch eine Kontraktilitätsstörung des RV oder durch eine Nachlasterhöhung des RV bei pulmonaler Hypertonie bedingt sein kann. In dieser Situation kommt es zu einer kritischen Erniedrigung der linksventrikulären Vorlast und dadurch zu einem Abfall des HZV mit arterieller Hypotension.

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