Bedeutung und Aufgaben für die Fachpflege

Inhalt

 

Hirntoddiagnostik heute

Die Diagnose des Hirntodes ist gesetzlich klar und bundesweit einheitlich geregelt. Es gibt ein genaues und mehrfach abgesichertes Prozedere, das eingehalten werden muss. Ansonsten kann und darf die Diagnose nicht gestellt werden.

Voraussetzungen
Grundvoraussetzung ist der zweifelsfreie Nachweis einer schweren primären, d.h. direkten Hirnschädigung wie Blutungen, Tumore und schwere Schädel-Hirn-Verletzungen oder einer sekundären, d.h. indirekten Hirnschädigung durch Sauerstoffmangel als Folge des Versagens anderer Organe wie Herz und Lunge (SCHLAK, ROOSEN, 2001, 28).

Patienten mit einer unklaren tiefen Bewusstlosigkeit dürfen bis zur zweifelsfreien Klärung der Ursache nicht einer Hirntoddiagnostik unterzogen werden.

Bei Patienten im Schockgeschehen, bei mutmaßlichen Vergiftungen, Unterkühlungen, Stoffwechselentgleisungen oder Vorbehandlung mit sedierenden Medikamenten muss mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass einer dieser Faktoren in reversibler Weise an einer Hirnschädigung beteiligt ist und somit die Hirntodfeststellung beeinflussen würde (SCHLAK, ROOSEN, 2001, 28).

Praktische Durchführung
Um einen eingetretenen Hirntod zweifelsfrei zu diagnostizieren und diesen auch zu dokumentieren, wird der Patient von zwei Ärzten untersucht. Diese müssen beide unabhängig von einem Transplantationsteam sein und mindestens einer von ihnen muss eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von schwerst- hirngeschädigten Patienten besitzen.

Im Rahmen der Hirntoddiagnostik wird als Erstes die tiefe Bewusstlosigkeit, das Koma des Patienten, durch gezieltes Ansprechen bzw. dem Setzen von Schmerzreizen geprüft. Weiter folgen die Überprüfungen des Ausfalls der Funktionen der Hirnreflexe:

  • Lichtreflex der Pupillen: Die Pupillen sind mittelweit oder weit, oft anisokor. Sie reagieren bei Lichteinfall nicht mit einer Verengung.
  • Cornealreflex: Das reflektorische Blinzeln bei Berührung der Hornhaut fehlt.
  • Okulozephaler Reflex (Puppenkopfphänomen): Die Augen bleiben bei einer Drehung des Kopfes in der Ausgangsstellung, sie reagieren nicht mit einer langsamen Gegendrehung.
  • Masseterreflex
  • Schmerzreaktion im Trigeminusbereich: Muskelzuckungen oder andere Abwehrreaktionen des Körpers auf starke Schmerzreize im Gesicht bleiben aus.
  • Würgereflex: Reflektorisches Würgen bei Berührungen der hinteren Rachenwand bleibt aus.
  • Hustenreflex: Hustenreaktionen beim Absaugen sind nicht mehr vorhanden.
  • Apnoetest: Nach einem durch die Beatmung künstlich herbeigeführten Anstieg von O2 und CO2 stellt sich nach einer Diskonnektion vom Beatmungsgerät keine Eigenatmungsaktivität ein.

Einige weitere Reflexe, die nicht direkt von der Funktion des Gehirns abhängig sind, können bei intensivmedizinischen Maßnahmen erhalten bleiben. Deren Auftreten ist aber kein Zeichen für eine, auch nur teilweise, erhaltene Funktion des Gehirns. Zu diesen Reflexen zählen der Bauchdeckenreflex, der Bizepssehnenreflex und/oder der Patellarsehnenreflex.

Ergänzende apparative Untersuchungen zur Hirntoddiagnostik sind ein EEG, das über einen Zeitraum von mindestens 30 Minuten eine Nulllinie aufzeigt, eine zerebrale Angiographie, die einen zerebralen Zirkulationsstopp nachweist, die Transcranielle Doppler-Sonographie, bei der die einzelnen großen Hirnarterien bei einem Hirntod ein typisches Echo-Muster liefern, eine Hirnszintigraphie, die mittels injizierter Radioaktivität durchblutete und nicht mehr durchblutete Hirnareale aufzeigt, sowie die Ableitung evozierter Potentiale, bei der die Antwortpotentiale im Rahmen des Großhirns und des Hirnstamms auf elektrisch gesetzte Reize ausbleiben (SCHLAK, ROOSEN, 2001, 29-47).

Sämtliche Untersuchungsergebnisse werden in dem Hirntodprotokoll festgehalten, welches jeder der beiden untersuchenden Ärzte getrennt voneinander ausfüllt. Bei einer Übereinstimmung der beiden Protokolle ist damit der bestehende Hirntod diagnostiziert.


 

 



Hirntodprotokoll


Protokoll zur Feststellung des Hirntodes, DSO

Transplantationsgesetz (TPG)

Der Weg zum Transplantationsgesetz
Das Transplantationsgesetz (TPG) ist am 25.06.1997 im Deutschen Bundestag mit fraktionsübergreifender Mehrheit beschlossen worden und trat am 01.12.1997 in Kraft.
Es regelt die Spende und Entnahme menschlicher Organe, Organteile oder Gewebe zum Zwecke de r Übertragung auf einen anderen Menschen sowie die Vorbereitung und Durchführung dieser Maßnahmen und das Organhandelverbot. Es kommt nicht zur Anwendung bei Blut, Knochenmark und fetalen Organen und Geweben.
In einer Soll-Bestimmung werden vor allem die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung und die Krankenkassen dazu aufgefordert, die Bevölkerung über den Gesetzesinhalt aufzuklären und Organspendeausweise bereit zu halten.
Weiterhin verpflichtet es die Krankenhäuser, potentielle Spender an das zuständige Transplantationszentrum oder die DSO zu melden.
Die Todesfeststellung richtet sich laut TPG §3 nach den Richtlinien der Bundesärztekammer, die die "Regeln, die nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen" umsetzt (CONRAD, FEUERHACK, 2002, 64).

Im Folgenden möchte ich kurz und stichpunktartig einige Gesetzesentwürfe aufzeigen, die schließlich zum TPG geführt haben.

  • Justizministerium, Entwurf 1978
    Nach einer Empfehlung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe von 1974 sollte die so genannte Widerspruchslösung favorisiert werden. Das heißt, dass grundsätzlich jeder für eine Organspende in Frage kommt, wenn er nicht zu Lebzeiten widersprochen hat. Kritiker wiesen auf weit reichende Konsequenzen hin. Die Bundesregierung sah sich veranlasst, wegen der Umstrittenheit des Vorhabens eine Denkpause vorzuschlagen

  • Erster Gesetzesentwurf 26.04.1979
    Dieser scheiterte, weil Jochen Vogel (SPD) keine ausreichende Mehrheit für die Widerspruchslösung zusammenbrachte.

  • Mustergesetzesentwurf 1989
    Dieser kam zustande, da Mediziner aus folgenden Gründen eine gesetzlich festgelegte Regelung wünschten:

    1. Zunehmende öffentliche Aufmerksamkeit bei steigender Anzahl von Transplantationen; Fragen, ob es bei der Übertragung von Organen "stets mit rechten Dingen zugehen würde".
    2. Medienberichte aus dem Ausland über "Raubtransplantationen" und "Ausschlachtungen" entführter Kinder in Lateinamerika.
    3. Einführung einer Meldepflicht zur Erfassung potentieller Spender.
    4. Unsicherheit bei allen Beteiligten.

  • Arbeitsgemeinschaft der Transplantationszentren: Entwurf 1990
    Dieser Entwurf sah vor, dass die so genannte Informationslösung zur Anwendung kommen sollte. Das bedeutet, dass bei festgestelltem Hirntod die Angehörigen lediglich über eine Organentnahme informiert werden. Wenn sie nicht innerhalb einer "angemessenen" Frist Widerspruch einlegen, wird die Organspende durchgeführt. Dieses Model blieb Grundlage sämtlicher Regierungsentwürfe.

  • Entwurf der Länder, November 1992
    Dieser befasste sich unter anderem mit der Organverteilung. Die Vermittlung bzw. Verteilung verfügbarer Spenderorgane sollte dabei einer zentralen Einrichtung übertragen werden. In einer Expertenanhörung, bestehend aus Ärzten, Krankenversicherungen, Patienten, politischen Parteien und Eurotransplant (s.u.), wurde dieser Vorschlag im Dezember negativ eingeschätzt.
  • Musterentwurf der Länder: zweite Fassung, April 1993
    Hier hieß es, das Problem sei durch die Stiftung Eurotransplant umfassend und zweckmäßig geregelt.

  • Musterentwurf der Länder: dritte Fassung, Juni 1994
    In dieser letzten Fassung erschien schließlich wieder die Forderung nach einer zentralen Meldestelle, die die Organe nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft an geeignete Empfänger vermitteln sollte.

  • Landesgesetz in Bayern und Rheinland-Pfalz, 1994
    Im Sommer wurde ein Gesetz auf den Weg gebracht das die Widerspruchslösung favorisierte. Zwei Monate nach Bekannt werden wurde es aber aufgrund bundesweiter Proteste wieder zurückgezogen.
  • Grundgesetzänderung, 27.10.1994
    Hier wurde durch ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes die Voraussetzung einer bundesweit einheitlichen Regelung geschaffen. Bei der bis dato gültigen Gesetzgebungskompetenz für das Gesundheitswesen auf Länderebene bestand die Möglichkeit, dass einzelne Landesregierungen aus dem Musterentwurf für die Organtransplantation ausscherten. Mit der Verabschiedung der Grundgesetznovelle änderte sich Art. 74 Nr. 26 GG (konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern). Dem Bund wurde unter anderem das Gesetzgebungsrecht für "Regelungen zur Transplantation von Organen und Geweben" übertragen.

  • Bundesministerium für Gesundheit: Gesetzesentwurf vom 17.03.1995
    Hier wurde der Öffentlichkeit ein Entwurf vorgelegt, der die Informationslösung durch die erweiterte Zustimmungslösung ersetzte. Dies bedeutet, dass eine Organspende nur dann erlaubt ist, wenn der Spender zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat (enge Zustimmungslösung) oder die Angehörigen stellvertretend ihre Zustimmung geben (erweiterte Zustimmungslösung).

  • Bundestag: Expertenanhörung, 1995
    Ende 1995 wurde in einer öffentlichen Expertenanhörung vor dem Gesundheitsausschuss und dem Rechtsausschuss des Bundestages das Problem der Todesbestimmung thematisiert. Teile der SPD-Bundestagsfraktion waren der Auffassung, der Hirntod könne nicht als definitiver Todeszeitpunkt gewertet werden; damit müsse eine enge Zustimmungslösung gefordert werden. Daraufhin klammerte das Gesundheitsministerium in einem gemeinsamen Gesetzesentwurf der Fraktionen der Regierungskoalition und der SPD die Frage der Zulässigkeit von Organentnahmen zunächst aus. Der "nicht behebbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen" wird im Entwurf als zwingend vorausgesetzt, aber nicht explizit als Todeskriterium bezeichnet.

  • Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss, 15.01.1997
    Hier wurden einerseits "verfassungsrechtliche Probleme der Organverpflanzung im Verhältnis zum Schutz des Lebens und zur Wahrung der Menschenwürde…" vorgetragen und andererseits festgelegt, dass "… das irreversible Aufhören der Gehirnfunktionen den Tod des Menschen darstelle, auch wenn nach Aufhören der Hirnfunktionen noch Lebenszeichen vorhanden seien. Der Hirntod stelle ein Kriterium dar, das die Entnahme lebenswichtiger Organe bei einem sterbenden Menschen erlauben könnte". Sieben Juristen äußerten sich zu den vorgeschlagenen Gesetzesentwürfen für ein TPG. Konsens herrschte über eine umfangreiche Aufklärung, über die Voraussetzungen und Folgen der Transplantation und über eine gerechte Verteilung, damit jeder Kranke die gleichen Chancen hätte (CONRAD, FEUERHACK, 2002, 59-64).

  • Das TPG
    Durch dieses Gesetz wurden neben bestimmten Grundsätzen und Rahmenbedingungen auch die "Feststellung des Hirntodes als unabdingbare Voraussetzung für jede Organentnahme bei einem Toten" festgelegt. Durch §2, Absatz 2 schreibt das Gesetz vor, dass jeder Mensch durch eine abgegebene Erklärung "... in eine Organentnahme einwilligen, ihr widersprechen oder die Entscheidung einer namentlich bekannten Person seines Vertrauens übertragen ..." kann.

    Weiter legt das Transplantationsgesetz mit §3, Absatz 2 die Möglichkeit zur Organsentnahme dann fest, wenn "der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist."

    Die Befragung des nächsten Angehörigen wird von dem behandelnden Arzt durchgeführt und ist nur dann legitim, wenn dem betreuenden Personal der persönliche Wille und die Einstellung des Patienten zu diesem Thema nicht bekannt sind. In §4, Absatz 1 des Transplantationsgesetzes steht:

    "Liegt dem Arzt, der die Organentnahme vornehmen soll, weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des möglichen Organspenders vor, ist dessen nächster Angehöriger zu befragen, ob ihm von diesem eine Erklärung zur Organspende bekannt ist. Ist auch dem Angehörigen eine solche Erklärung nicht bekannt, so ist die Entnahme unter den Voraussetzungen des TPG nur zulässig, wenn ein Arzt den Angehörigen über eine in Frage kommende Organentnahme unterrichtet und dieser ihr zugestimmt hat."

    Als mögliche psychische Entlastung oder als mögliche Erleichterung der Entscheidungsfindung für den Angehörigen steht im weiteren Wortlaut des Gesetzes, dass "der Angehörige ... bei seiner Entscheidung einen mutmaßlichen Willen des möglichen Organspenders zu beachten (hat). Der Arzt hat den Angehörigen darauf hinzuweisen."
    Als in Frage kommende Angehörige sind im Sinne des Gesetzes in der Reihen- und Rangfolge der Aufzählung:

  • Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner
  • volljährige Kinder
  • Eltern oder bei betroffenen minderjährigen Kindern der/die Erziehungsberechtigte bzw. Sorgeinhaber
  • volljährige Geschwister
  • Großeltern

    Die aufgezählten Personen müssen in den vergangenen zwei Jahren persönlichen Kontakt mit dem potentiellen Organspender gehabt haben.

    In den meisten Fällen ist es sinnvoll, nach erfolgter Einwilligung durch Angehörige eine bestimmte Frist zu vereinbaren, innerhalb derer die Erklärung und Einwilligung nochmals überdacht, besprochen und gegebenenfalls widerrufen werden kann (ARBEITSKREIS ORGANSPENDE, 2002; CONRAD, FEUERHACK, 2002, 202-220).

    Wenn keine Einwilligung erteilt wird, dann wird die Therapie des Patienten abgebrochen. Zur Würde des Menschen gehört auch die Würde des Sterbens. Das Fortsetzen der Therapie mit allen Mitteln verletzt die Würde des sterbenden Menschen. Dem hirntoten Menschen wird keine geringere Form von Menschenwürde zuteil, wenn man ihn sterben lässt, während man anderen Menschen mit allen Mitteln - etwa nach einer Lungenentzündung - weiter leben lässt. Die Nicht-Behandlung des hirntoten Menschen ist Folge des Respekts vor der Situation des unumkehrbaren Sterbens (LÜTZ, 2000, 30).

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